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Phytomedizin - Definition

Die Phytomedizin ist die Wissenschaft von den Krankheiten und Beschädigungen der Pflanzen, ihren Ursachen, Erscheinungsformen, ihrem Verlauf, ihrer Verbreitung sowie von den Maßnahmen und Mitteln zur Gesunderhaltung der Pflanzen und der Regulierung der Schadursachen.

Begriffsentstehung

Der Begriff der „Phytomedizin“ geht auf die Mitglieder des „Verbandes Deutscher Pflanzenärzte“ (1928–1939), im Besonderen auf Otto Appel zurück. Der als „Organisator des deutschen Pflanzenschutzes“ bezeichnete Otto Appel suchte bereits frühzeitig das als „Phyto-Medizin“ bzw. „Pflanzen-Medizin“ terminologisch zusammenzufassen. So forderte er, dass die ausbildenden Fachleute „entsprechend den Human- und Veterinärmedizinern, die Phyto-Medizin“ vertreten müssen.

„Ebenso wie man zum kranken Menschen und zum kranken Tiere den Arzt ruft“, beschrieb O. Appel 1923 seine Auffassung, „muss es in Zukunft möglich werden, auch beim Auftreten von Pflanzenkrankheiten den Pflanzenarzt zu Rate zu ziehen, der in der Lage ist, die vorliegende Krankheit richtig zu beurteilen und der, soweit es sich um die wichtigsten und häufigsten Krankheiten handelt, auch die Anordnungen zu treffen vermag, die eine Heilung oder weitere Ausbreitung verhindern. Er muss … auch vorbeugend wirken, etwa so, wie es in der menschlichen Medizin durch Maßnahmen der Hygiene erfolgt“.

Davon ausgehend hat er dieses Konzept der Phytomedizin während seiner langjährigen Tätigkeit als Direktor der ab 1919 so bezeichneten „Biologischen Reichsanstalt für Land- und Forstwirtschaft“ zur klassischen Entfaltung gebracht und damit selbst aktiv Wissenschafts- und Institutionengeschichte gestaltet. Der Begriff „Phytomedizin“ wird erkenntnistheoretisch als Einheit von Phytopathologie und Pflanzenschutz bzw. der diese konstituierenden Teildisziplinen gedacht. Als deren „vereinende Wissenschaft“. trägt die Phytomedizin in wissenschaftstheoretischer Hinsicht in vergleichbarer Weise wie die Termini „Humanmedizin“ und „Veterinärmedizin“ dem Spezifikum einer angewandten Wissenschaft Rechnung. Das Spezifikum besteht in der untrennbaren Einheit von Forschungsergebnis und Praxis. Die Prägung des Begriffes „Phytomedizin“ war eine Folge der „Ausdifferenzierung“ des „Fachgebietes Phytopathologie und Pflanzenschutz“, d. h. der Aufspaltung in viele Teildisziplinen seit dem Ende des 19. Jahrhunderts. Im Ergebnis dessen verlor das Moment der für angewandte Wissenschaften notwendigen spezifischen Einheit von Theorie und Praxis zunächst immer mehr an Bedeutung. Diese Entwicklung ließ die „Forderung nach Zusammenfassung und Neuordnung unter einem wissenschaftlichen Leitgedanken laut werden“. Der Forderung kamen Wissenschaftler der Biologischen Reichsanstalt nach, wie z. B. 1919 der Entomologe und Begründer des Vorratsschutzes Fr. Zacher, 1923 O. Appel und 1937 der Phytopathologe H. Braun. Das historische Verdienst der Genannten besteht darin, die wissenschaftstheoretische Notwendigkeit der Zusammenführung der differenzierten Gebiete „Phytopathologie“ und „Pflanzenschutz“ als eine unabdingbare Grundlage für die weitere Entwicklung ihres Fachgebietes begriffen und zu deren Lösung beigetragen zu haben. Die Prägung des Begriffs „Phytomedizin“ war deshalb Ausdruck eines inzwischen erreichten hohen Reifegrades der Phytopathologie. Die Diskussion um das interdisziplinäre Fachgebiet Phytomedizin ist bis heute in ständigem Fluss. Die berufsständische Vertretung der vormals als „Pflanzenärzte“ und derzeit als „Phytomediziner“ bezeichneten Wissenschaftler übernimmt seit etwa 90 Jahren die Deutsche Phytomedizinische Gesellschaft e.V. Seit 2011 ist die DPG auch ihrer Satzung nach gemeinnützig  und heißt jedermann in ihren Reihen willkommen.

 

 

Berufliche Vielfalt

In der DPG sind Vertreter einer großen Zahl von Berufen organisiert, die sich aus unterschiedlichstem Blickwinkel mit phytomedizinischen Aspekten beschäftigen.
Isoliert arbeitet keines dieser Berufsfelder. Alle arbeiten eng mit anderen zusammen, so dass viele Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Disziplinen der Phytomedizin entstehen.

Die Phytomediziner unter den Mitgliedern der DPG werden in mehr als 20 Basisdisziplinen ausgebildet.
Den Basisdisziplinen können zehn Kernkompetenzbereiche übergeordnet werden  Sie beschreiben Tätigkeitsfelder die ausgesprochen interdisziplinär arbeiten.

Innerhalb der DPG-Mitgliedschaft sind alle 20 Basisdisziplinen der Phytomedizin vertreten, jedoch nicht gleichmäßig stark.
Die Mehrzahl der DPG Mitglieder arbeitet an der Erforschung einzelner Krankheiten und Beschädigungen von Pflanzen. Grundlagenforschung und systemorientierte Arbeiten werden ebenso geleistet. Ausgewogen ist in der Mitgliedschaft das Verhältnis von angewandten Herangehensweisen und Basisforschung, die nicht zwangsläufig einen direkten Bezug zur Anwendung hat.

DPG-Mitglieder in der Forschung arbeiten vor allem in Universitäten,  Bundesforschungsanstalten und privaten Wirtschaftsunternehmen.
Mitglieder der eher angewandten Disziplinen findet man vor allem in der amtlichen Beratung und angewandten Forschung privater Unternehmen. Sowohl in großen Industriebetrieben als auch in mittelständischen und kleinen Betrieben einschließlich pflanzenbaulichen Produzenten kann man DPG-Mitglieder finden. Öffentliche Berater, selbstständige Sachverständige oder Vertreter von Landesund Bundesbehörden sind unter den Mitgliedern anzutreffen.
Basisdisziplinen und Kernkompetenzen lassen sich auf dem interdisziplinären Niveau zu  Aktionsfeldern zusammenfassen Verbraucherschutz, Produktqualität und Umweltschutz.
Alle Aktionsfelder stehen eng mit phytomedizinischen Praktiken vor, nach und während der Pflanzenproduktion in Verbindung. Sie sind abhängig von den gesellschaftlichen Anforderungen, die an die Pflanzenproduktion gestellt werden. Die übergeordnete, transdisziplinäre Einbindung phytomedizinischer Aspekte erfolgt auf dem Niveau der Produktionsqualität, des Landschaftsökologischen Kontextes und in Kommunikation und Beratung (inkl. z.B. Lehre und Schule).
Aus dieser Zusammenstellung wird deutlich, warum Arbeitskreise, in denen derartig unterschiedliche Interessen aufeinandertreffen, so fruchtbare Arbeit leisten können: die stete Befruchtung der eigenen Ergebnisse durch andere Sichtweisen fördert nicht nur die Diversität der Erklärungsmodelle, sondern ist Grundstock für Entwicklungen und Fortschritte, die effektiv und zielgerichtet auf die phytomedizinische Praxis einwirken und Lösungen mit direkter Relevanz für phytomedizinische Probleme zeitigen

Kernkompetenzen

Zahlreiche wissenschaftliche Disziplinen tragen ihren Anteil zur Phytomedizin bei. Wesentliche Grundlagenfächer sind Fächer wie die Botanik, Zoologie, Mikrobiologie, Ökologie und Bodenkunde, deren Lehrinhalt in die Phytomedizin eingehen. Um sie herum gruppieren sich agrarwissenschaftliche Disziplinen, die im Rahmen phytomedizinischer Arbeit besonderes Gewicht erlangt haben und für die vonseiten der Phytomedizin vielfältige eigene Beiträge geleistet werden. An speziellen Schaderregergruppen orientierte Fachgebiete ergänzen das Spektrum der Kernkompetenzen der Phytomedizin, so z. B. die Landwirtschaftliche Entomologie (befasst sich mit tierischen Schaderregern, insbesondere Insekten und Spinnen sowie deren Gegenspielern, von denen einige auch im biologischen Pflanzenschutz eine Rolle spielen), die Landwirtschaftliche Mykologie (pilzliche Schaderreger als Ursache von Pflanzenkrankheiten), die Landwirtschaftliche Bakteriologie (bakterielle Schaderregern), die Landwirtschaftliche Virologie (Viren als Schaderregern an Pflanzen), die Landwirtschaftliche Nematologie (Fadenwürmer als Schaderreger), die Landwirtschaftliche Malakologie (Schnecken als Schaderrerger), die Landwirtschaftliche Wirbeltierkunde (Nagetiere als Schaderreger) oder die Landwirtschaftliche Herbologie (Unkräutern (Ackerwildpflanzen) als Konkurrenten der Kulturpflanzen).

Die ätiologische, ursachenorientierte Arbeit führte einerseits zu einem starken Anwachsen unserer Kenntnisse über die vielfältigen Schadursachen, andererseits blieben zum Teil selbst einfache Beziehungen zur Schadensentwicklung unter Produktionsbedingungen ungeklärt. Heutzutage werden vermehrt größere Zusammenhänge untersucht. Fachgebiete sind dabei für die Phytomedizin besonders wichtig geworden, die sich in der Regel auf mehrere oder alle Erregergruppen beziehen und vielfach nichtparasitäre Schadursachen einschließen. Dabei wird versucht, die von Schadursachen bedrohte oder bereits geschädigte Pflanze in den Mittelpunkt des Interesses zu rücken. Im Unterschied zur Human- und Veterinärmedizin wird in der Regel in der Phytomedizin der gesamte Pflanzenbestand Ziel der Schutzmaßnahmen.

Die Bedeutung der Phytomedizin für die Öffentlichkeit, z. B. für die Ernährungssicherheit oder die Sicherung nachwachsender Rohstoffe, ist heute so groß wie bereits vor 100 Jahren. Ihre wissenschaftlichen Ergebnisse und praktischen Empfehlungen haben vielfältige Rückwirkungen auf Produktion, Verarbeitung und Verbrauch von Pflanzen. So gerät sie nicht selten mit Teilgebieten in die öffentliche Diskussion um aktuelle politische Fragen, die auf ihre Zielsetzungen Einfluss nimmt.

Interaktionsfelder

Die Phytomedizin verknüpft die Wissenschaft der Pflanzenkrankheiten und -beschädigungen mit der Praxis eines umfassend angelegten Pflanzenschutzes. Damit ist die Phytomedizin von zentraler Bedeutung für die Sicherung der Ernährungsgrundlage der Bevölkerung. Sie garantiert qualitativ hochwertige pflanzenbauliche Produkte in ausreichender Menge. Sie schafft die Grundlage für eine adäquate Pflanzenquarantäne und den sicheren Handel mit agrarischen und gartenbaulichen Erzeugnissen.

Die Kernkompetenzen der Phytomedizin sind eingebunden in interdisziplinäre und transdisziplinäre Interaktionsfelder, die sowohl die ökonomischen als auch die ökologischen und sozialen Belange des Pflanzenbaus (Verbraucherschutz, Arbeitsschutz, Umweltschutz, Produktqualität) einbeziehen und damit die nachhaltige Entwicklung von Pflanzenbausystemen im Sinne gesteigerter Produktionsqualität im sozioökonomischen und landschaftsökologischen Kontext mit Unterstützung von Kommunikation und Beratung vorantreiben.

Grundlegende Wissenschaften und Arbeitsbereiche

Basiswissenschaften
  • Virologie
  • Bakteriologie
  • Mykologie
  • Entomologie
  • Nematologie
  • Malakologie
  • Zoologie (Vertebraten)
  • Botanik (Herbologie)
  • Bodenkunde
  • Molekularbiologie
  • Genetik
Interdisziplinäre Arbeitsbereiche
  • Phytopathologie
  • Diagnose
  • Pflanzenzüchtung
  • Sortenauswahl
  • Biotechnologie
  • Phytopharmakologie
  • Ethnobotanik
  • Kulturmaßnahmen
  • Symbiontentechnologie
  • Biologischer Pflanzenschutz
  • Chemischer Pflanzenschutz
  • Pflanzenschutzstrategien
  • Monitoring & Prognose
  • Gerätetechnik
  • Nutzpflanzenbiologie
  • Bodenvorbereitung
  • Anbautechniken
  • Ernteverfahren
  • Vorratsschutz
  • Saatgutsicherung
  • Sozialer Pflanzenbau
  • Biometrie/Versuchswesen
  • Ökosystemleistungen
Transdiszipinäre Arbeitsbereiche
  • Agrarethik
  • Biodiversitätsforschung
  • Bioökonomie
  • Klimawandel-Folgenabschätzung
  • Landschaftsökologie
  • Pflanzenbauberatung
  • Produktqualität
  • Produktionsqualität
  • Sachkunde im Pflanzenschutz
  • Umwelt - & Naturschutz
  • Verbraucher- und Anwenderschutz

Entwurf eines Dritten Gesetzes der Bundesregierung zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes (»Insektenschutzgesetz«) und Fünfte Verordnung des BMEL zur Änderung der Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung: Neue Forschungsanstrengungen gefragt